Zeitmanagement: wie wär’s mit Multitasking?
Wenn es um das Thema “Zeitmanagement” geht, sagt man besonders uns Frauen eine Fähigkeit nach, die es so gar nicht gibt. Wir seien multitaskingfähig: Während wir telefonieren, schreiben wir eine E-Mail, beruhigen die Kinder und bereiten gleichzeitig das Essen zu. Soweit gängige Klischees. Inzwischen spricht es sich herum, dass „Multitasking“ im eigentlichen Sinn gar nicht möglich ist: Die Dinge, die quasi gleichzeitig erledigt werden, werden mit minderer Qualität erledigt, als wenn sie nacheinander abgearbeitet würden.
Währung “Aktionspotenzial”
Unser Gehirn kann kein Multitasking: Wir können Informationen nur nacheinander verarbeiten und nicht gleichzeitig. Zu letzterem ist unser Gehirn nicht gemacht. Die “Währung”, in der Dinge, die wir tun, im Gehirn benannt und gemessen werden, nennt sich “Aktionspotenzial”. Diese Aktionspotenziale werden nur nacheinander ausgelöst, nie gleichzeitig. Somit können wir auch nichts gleichzeitig verarbeiten. Zwar können wir mit unseren Sinnen verschiedene Reize gleichzeitig aufnehmen, irgendwann kommen diese Reize aber an den „Flaschenhals“ und können nur nacheinander verarbeitet werden. Das ist dann wie Zappen am Fernseher, wenn hintereinander kurze Informationseinheiten verarbeitet werden.
Manche Menschen beherrschen Multitasking?

Es gibt Menschen, die von sich behaupten, mehrere Dinge gleichzeitig tun zu können. Doch auch diejenigen können nur anscheinend mehrere Aufgaben gleichzeitig erledigen, indem sie gleichzeitig telefonieren und eine Mail lesen. Sie nehmen aber von der Mail z.B. vielleicht nur jedes 3. Wort wahr – was ausreichend sein kann. Vom Telefonat gehen dann vielleicht 40% verloren, was, je nach Gespräch, kein Drama sein muss. Ein richtiger Gewinn ist es nicht – meinen Gesprächsteilnehmern widme ich gerne meine ganze Aufmerksamkeit. Das halte ich für selbstverständlich. Schade eigentlich, dass Multitasking nicht funktioniert, denn unserem Zeitmanagement käme es sehr entgegen.
Flaschenhals Aufnahmekapazität
Wir haben nur eine sehr begrenzte Aufnahmekapazität haben. Wir schalten schnell ab und scheitern auch am Multitasking. Routineaufgaben können jedoch gleichzeitig „gestemmt“ werden, z.B. die Unterhaltung beim Mittagessen in der Kantine oder ein Gespräch mit einem Kollegen, während ich Routineaufgaben erledige. Die Psychologen Elisabeth Spelke, William Hirs und Ulrich Neisser meinten in Experimenten Ende der 70er Jahre herausgefunden zu haben, dass sich Multitasking immerhin in Grenzen trainieren lässt. Wenn man durch viel Übung eine schwierige Aufgabe in eine Routineaufgabe verwandelt, kann man sie gleichzeitig mit einer anderen Aufgabe erledigen. Forschungen z.B. des Psychologen David Meyer (University of Michigan) haben gezeigt, dass Menschen für Aufgaben, die sie unter Multitasking bearbeiten, bis zu eineinhalbmal so lang brauchten wie Kollegen, die zuerst die eine und dann die andere Aufgabe erledigten.
Lieber nacheinander
Wenn wir an das Autofahren denken: wir können uns gut „nebenher“ unterhalten, Musik hören und vielleicht etwas trinken. Kommt eine schwierige Verkehrssituation, steht es uns gut an, uns auf den Verkehr zu konzentrieren – zum Glück machen wir das automatisch, unser Gehirn schaltet um und konzentriert sich auf die schwierigste Aufgabe.
Das, was Zeitmanager schon lange predigen, bestätigten die diversen Forschungen: erledigen wir die Dinge, wo möglich, lieber nacheinander (z.B. indem wir uns Mailpostfach nur zu bestimmten Zeitpunkten lesen) und sind dafür insgesamt schneller – und zufriedener, denn das Gefühl, komplett in einer Sache aufzugehen, bringt uns eine Zufriedenheit, die wir im Hamsterrad des ständigen Hinterherrennens nie erreichen.
Zeitmanagement für kreative Chaoten
Diejenigen, die sich wie ich zu den “kreativen Chaoten” in Sachen Zeitmanagement zählen, machen gerne viele Sachen “gleichzeitig”. Doch das ist auch hier nicht wirklich so. Wir erledigen die Dinge ineinander verzahnt, aber nicht gleichzeitig. Für einen Menschen der Sorte “logischer Ordner” mag das gleichzeitig wirken, vor allem jedoch vermutlich chaotisch. Doch jeder hat seine eigene Art des Zeitmanagements. Wichtig ist, dass am Ende das passende Ergebnis herauskommt. Und das ist mit Sicherheit immer besser, wenn wir uns nicht einreden, dass wir Dinge wirklich parallel tun können. Dann können nämlich die kreativen Chaoten verzahnt arbeiten und die logischen Ordner sequentiell. Und (fast) alles wird gut.
(nach: Gehirn&Geist Basiswissen 1/2010)
Erstmals veröffentlicht am 09.06.2011, nachbearbeitet am 25.07.2018